Donnerstag, 23. Juni 2011

Unterlage bei veredeltem Obstbaum "überbrücken"

Die meisten Obstbäume sind nicht kernecht, das heißt ein aus Samen gezogener Baum hat völlig andere Eigenschaften als der Mutterbaum. Um identische Früchte von einem neuen Baum zu erhalten greift man daher auf den Trick der Veredelung zurück. Man nimmt dafür eine (meist genormte) Unterlage, die die Wurzel des neuen Baumes wird. Darauf wird mit einer der vielen Veredelungstechniken ein Reis oder ein Auge des Baumes, den man eigentlich vermehren möchte veredelt. Kurz gesagt amputiert man einen Teil der Unterlage und ersetzt ihn durch ein Stück von der Wunschsorte, die dann auf der fremden Wurzel weiterwächst.
Durch die Wahl der Unterlage lassen sich Wuchs, Ertrag und bis zu einem gewissen Punkt auch Resistenzen des Baumes beeinflussen. Im Erwerbsobstbau werden z.B. spezielle schwachwüchsige Unterlagen verwendet, so dass die Baume klein aber ertragreich und damit gut zu ernten sind. Auch unterschiedliche Obstarten können so kombiniert werden. Für schwachwüchsige Brinen wird z.B. oft eine Quittenunterlage genommen, für Quitte Weißdorn usw. Nicht alle Obstsorten sind "kompatibel" Stein- und Kernobst wächst nicht stabil zusammen (also z.B. Kirsche auf Apfelunterlage). Bei Birnen sind manche Sorten mit vielen Birnenunterlagen nicht kompatibel. Insgesamt ist der ganze Bereich eine Wissenschaft für sich.
Normalerweise wissen die Baumschulen was sie tun und man sollte nicht daran herumpfuschen. Insbesondere wird davor gewarnt, die Veredelungsstelle mit Erde oder Grasschnitt zu bedecken, etwa indem man den Fangkorb des Rasnmähers an einem Baumstamm entleert. Dadurch kann es nämlich dazu kommen, dass die Veredelung Wurzeln bildet und sich auf eigene Füße stellt. Die Unterlage verliert dann ihren Einfluss und kann sogar absterben. Bei älteren Baumen ist die Gefahr der Bewurzelung nicht mehr so groß, dafür ist der später bedeckte Stammabschnitt aber ein Einfallstor für Schädlinge und Pilze.
Ich habe vor zwei Jahren einen Speierling (sorbus domestica) bei Ebay gekauft. Eigentlich wollte ich einen schönen großen Hochstamm ziehen, ein Sämling oder eine Veredelung auf Speierling war aber nicht günstig zu bekommen. Dafür aber ein Speierling auf Quittenunterlage. Vorteil: fruchtet früher, Nachteil: bleibt klein, geringere Lebenserwartung. Für 22,33 € inklusive Versand für ein mehrjähriges Bäumchen habe ich dennoch zugeschlagen. Die versprochene Ballenware war wurzelnackt in ein Erdgemisch gesteckt worde, das ich eher als feuchten Kehricht bezeichnen würde und einigermaßen vertrocknet war sie auch, aber der Baum hat sich gut erholt.
Eigentlich will ich aber ja einen großen Baum auf eigener Wurzel. Was sonst eine Gefahr ist, habe ich daher bewusst herbeigeführt. Drei Schubkarren Erde habe ich so um den Stamm gekippt, dass die Veredelungsstelle gut bedeckt ist. Nun hoffe ich, dass der Stamm über der Veredelungsstelle Wurzeln schlägt und sich auf eigene Füße stellt. Dann dürfte einem schönen großen Speierling nichts mehr entgegenstehen.
Hat vielleicht jemand Erfahrung (eventuell auch unfreiwillig) mit wurzelschlagenden Veredelungen? Hat es geklappt, wie lange hat es gedauert?
Die Veredelungsstelle vor dem Anhäufeln (rechts ist nur der Stützpfahl):Speierling Veredelungsstelle
Nach dem Anhäufeln:
Speierling angehäufelt Haufen
Ergebnis in voller Größe:
Speierling angehäufelt 3

UPDATE 06.04.2014: Der Baum ist im letzten Jahr eingegangen. Ich glaube aber nicht, dass es an dem Versuch lag. Mehr dazu hier!

2 Kommentare:

  1. Na Du hast Ideen..also bei mir hat leider unfreiwillig die Pfirsichbaumunterlage gewurzelt. Total blöd, aber wir musste den 3mal umsetzen und beim letzten Mal hat keiner mehr drauf geachtet die Veredlungsstelle frei zu lassen..wenn ich mich nicht täusche ist der auf einer Art Pflaume. (Könnte das sein?)..na ja das Ganze hat nur 2 Jahre gedauert..was ich nun mit dem Baum mache weiß ich auch noch nicht.
    Grüßli Conny

    AntwortenLöschen
  2. Da mir die Wühlmäuse ständig die Unterlagen unter den Apfelbäumen weggefressen haben (Drahtkorb hat auch nur 2 Jahre geschützt) habe ich vor einigen Jahren alle Bäumchen eigene Wurzeln bilden lassen u. konnte so die meisten retten. Seitdem keinen Wühlmausfraß mehr u. den Bäumen geht es bis jetzt sehr gut, sie wachsen schön (werden jedes Jahr vorschriftsmäßig geschnitten) u. haben alle angefangen zu tragen. Gruß aus dem wilden Naschgarten

    AntwortenLöschen